Wie man das Zuhausebleiben attraktiver macht – Nudging im aktuellen Kontext

Unser Verhalten basiert oft auf irrationalen Entscheidungen und wird unter anderem von der sogenannten Verlustaversion geprägt. Das bedeutet, dass Menschen Verluste vermeiden wollen und auf Verbote oder Verzichtsaufforderungen mit Abwehr reagieren. Zum Beispiel werden Aufforderungen wie Autofahrten, Flüge und Fleischverzehr zu Gunsten der Umwelt zu reduzieren, oft abgewiesen. Doch wie kann man diese Abwehrhaltung von Konsumenten vermeiden? Hier kommt das sogenannte “Nudging” ins Spiel.

Nudging

Nudges sind sanfte Stupse, die das Verhalten von Menschen in eine wünschenswerte Richtung lenken, ohne dabei auf Verbote oder Verzichtsaufforderungen zurückzugreifen. Dabei vereinfacht man das gewünschte und erschwert das unerwünschte Verhalten.

Es gibt einige Beispiele für Nudging:

  • Essen auf einem kleineren Teller servieren. Das lässt die Portion größer wirken.
  • Die Anordnung in der Kantinentheke. Wird gesundes Essen gut sichtbar auf Augenhöhe und ungesundes Essen weniger sichtbar weiter unten platziert, so wird man dazu verleitet, zu dem gesunden Essen zu greifen.
  • Weniger Produktauswahl anbieten. Das erleichtert die Entscheidung. Bei zu viel Auswahl können potentielle Kunden schnell überfordert und abgeschreckt werden.
  • Standardoptionen angeben. Das erleichtert ebenfalls die Entscheidung.
  • Die Fliege im Urinal verleitet Männer zum besseren Zielen.
  • Die Klaviertreppe in der U-Bahn. Sie gibt Laute von sich, wenn man auf die Stufen tritt. So wird ein Anreiz geschaffen, die Treppe statt den Aufzug zu nehmen.
  • Grüne Pfeile auf dem Boden im Supermarkt, die zu dem Gemüse- und Obstregal führen. Das lockt die Kunden zum gesunden Essen.

Nudging zu Zeiten des Coronavirus

Um die rasante weltweite Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, werden Menschen angehalten, wenn möglich zuhause zu bleiben und persönliche Kontakte zu vermeiden.

Glücklicherweise gibt es heutzutage das Internet, was uns sämtliche Türen zu Unterhaltung offenhält und dabei hilft, diese Einschränkung zu erleichtern. Streaming-Anbieter, Onlinespiele, Onlineshops, Online-Fitnesskurse und Messaging-Dienste ermöglichen Unterhaltung, Shopping, Sport, Homeoffice und sozialen Kontakt ohne dabei jedoch im Umfeld anderer Menschen sein zu müssen.

Um den Menschen das Zuhausebleiben zusätzlich zu vereinfachen, bieten viele Unternehmen nun Vergünstigungen an:

  • Die Deutsche Telekom schenkt ihren Kunden 10 GB Datenvolumen. Bei dem erhöhten Datenverbrauch durch Musik- oder Video-Streaming und Videochats mit Familie und Freunden ist das zusätzliche Datenvolumen natürlich besonders gut zu gebrauchen.
  • Die BRAVO stellt alle Ausgaben von 1954 bis 1994 zum kostenlosen Download zur Verfügung. Perfekt zum Zeitvertreiben.
  • Sparangebote oder kostenfreie Nutzung einiger Onlinespiele, Online-Lernportale, Kommunikationstools, Streamingdienste sowie Onlinedienste für körperliche und mentale Gesundheit

Durch diese Anreize (also Nudges) wird uns die “bessere” Alternative (also zuhause zu bleiben) erleichtert.

Kritische Betrachtung & Fazit

Nudging soll Menschen in die richtige Richtung stupsen. Doch wer entscheidet, was erwünscht ist und was die “bessere” oder “richtige” Alternative ist? Hier kann man leider nur auf eine möglichst objektive und neutrale Einschätzung hoffen. Denn Nudges können leider nicht nur zu Gunsten der Konsumenten und der Allgemeinheit genutzt werden, sondern können auch für eigennützliche Zwecke oder als Bevormundung missbraucht werden.

Trotzdem bietet Nudging großes Potenzial für das Marketing und spielt auch aktuell eine wichtige Rolle. Wie die zuvor genannten Beispiele zeigen, können Unternehmen aktuell einen wertvollen Beitrag leisten, indem sie den Menschen Vergünstigungen anbieten, die dazu anregen, zuhause zu bleiben.

Werden Nudges mit guter Absicht eingesetzt, so können sie maßgeblich zum Allgemeinwohl beitragen und die Konsumenten zu allgemein wünschenswertem Verhalten anregen.

Quellen:
Johnson, Eric J. et al. (2012): Beyond nudges: Tools of a choice architecture, in: Marketing Letters, 23 (2), 487-504.
Kirst, Nina (2020): Verhaltensveränderung durch Design, in: PAGE, 02.20, 037-042.
Sugden, Robert (2009): On Nudging: A Review of Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth and Hapiness by Richard H. Thaler & Cass R. Sunstein, in: International Journal of the Economics of Business, 16 (3), 365-373.
Sunstein, Cass R. (2014): Nudging: A Very Short Guide, in: Journal of Consumer Policy, 37 (4), 583-588.
Thaler, Richard H. und Cass R. Sunstein (2013): Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 3. Aufl., Berlin: Ullstein.

Anti-Bias: Nudging – Definition
BRAVO Archiv: Ein wenig Licht in dunklen Zeiten
ComputerBild: Corona-Krise: Gratisangebote für Home-Office und Freizeit
unternehmer.de: Das Nudging-Prinzip: So beeinflusst du die Kaufentscheidung

Bild:
Nik Jay (Hello I’m Nik) – Fotograf
phase grün – Bildbearbeitung